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Katholische Kirchengemeinde Liebfrauen Trier
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Der Figurenzyklus der Liebfrauen Basilika mit Ecclesia und Synagoge
Das künstlerisch und theologisch bedeutsame Figurenprogramm
an der Westfassade der Liebfrauen-Basilika stammt aus dem
13. Jahrhundert. Es erzählt die Heilsgeschichte vom Bund Gottes
mit den Menschen, angefangen bei dem Bund Gottes mit Noah
und dem Bund Gottes mit Abraham über die vier großen Propheten
Jesaja, Jeremia, Ezechiel und Daniel. Die Erzählung vom neuen
Bund beginnt mit der Darstellung der Verkündigung des Engels
Gabriel an Maria, der Geburt des Herrn und der Anbetung der
Heiligen Drei Könige und führt zur Darstellung der Hingabe
Jesu Christi in Kreuzigung und Tod, durch die wir erlöst sind.
Im Portalbereich stehen unter den mit reichem figürlichem
Schmuck belegten Archivolten links und rechts je drei Figuren
Sie begleiten die Besucher auf ihrem Weg in die Kirche:
Adam und Eva, Petrus und Johannes, Ecclesia und Synagoge.
Adam und Eva erinnern an die Herkunft des Menschen als
Geschöpf Gottes, an Paradies und Sündenfall, an den göttlichen
Auftrag, die Schöpfung zu bebauen und zu pflegen. Petrus und
Johannes stehen für die zwölf Apostel und den Auftrag des Herrn:
Geht in alle Welt, lehrt alle Volker, macht sie zu meinen Jüngern.
Synagoge und Ecclesia repräsentieren den alten und den neuen
Bund, die beiden Gemeinschaften, die sich auf die Offenbarung Gottesberufen: die Judenheit,
die dem ersten Testament folgt und die Christenheit, die Kirche, also die Gemeinschaft der
Christus- Jünger, die an Gestalt und Botschaft Jesu Maß nimmt, seinem Testament, dem Evangelium,
folgt und ihn, den Sohn Gottes, als Heiland und Erlöser bekennt.
Für das Verständnis des Figurenprogramms ist es unverzichtbar, die Gesamtheit seiner Darstellungen
in den Blick zu nehmen und einzelne Figuren nicht losgelost von ihrem theologischen Kontext zu
betrachten. Dann wird sich auch der Vorwurf des Antijudaismus oder Antisemitismus auf sein
biblisches Maß reduzieren Wer zur Darstellung der Synagoge 2 Kor 3, 12-18
2 Kor 3, 12-18
12 Weil wir also eine solche Hoffnung haben, treten wir mit großem Freimut auf, 13 nicht wie
Mose, der über sein Gesicht eine Hülle legte, damit die Israeliten das Ende des Vergänglichen
nicht sahen. 14 Doch ihr Denken wurde verhärtet. Denn bis zum heutigen Tag liegt die gleiche
Hülle auf dem Alten Bund, wenn daraus vorgelesen wird; sie wird nicht aufgedeckt, weil sie in
Christus beseitigt wird. 15 Bis heute liegt die Hülle auf ihrem Herzen, wenn Mose vorgelesen
wird. 16 Sobald er aber zum Herrn zurückkehrt, wird die Hülle entfernt. 17 Der Herr aber ist
der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit. 18 Wir alle aber schauen mit
enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel und werden so in sein
eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn.
liest, wird das Paar Synagoge Ecclesia in seiner biblischen Zuordnung verstehen.
So wird die Synagoge, wenngleich von edler Gestalt, als trauernde und entthronte Frau dargestellt, der,
weil blind für den Messias, die Zeichen ihrer Berufung entgleiten, während die Ecclesia Kreuz und
Kelch tragt, die Zeichen der Erlösung und des Heiles, die von Jesus Christus kommen.
Figurenprogramme sind an allen gotischen Kathedralen und Kirchen zu finden, die beiden
letztgenannten Figuren z.B. an der Kathedrale von Chartres, und dem Munster zu Straßburg. Als
Zeitdokumente weisen sie auf die mittelalterliche Sicht des abendländischen Christentums hin.
Manchen Betrachter erinnert der Anblick der so dargestellten Synagoge an die Demütigungen der
Juden in vergangenen Jahrhunderten, besonders an das grauenvolle Leiden des jüdischen Volkes in der
Geschichte unseres Landes, vor allem an die Shoa, die millionenfache Ermordung von Juden wahrend
der Nazi Herrschaft des zwanzigsten Jahrhunderts, der wir heutigen Christen fassungslos und mit
tiefer Scham und Trauer gegenüberstehen.
Die Pfarrei Liebfrauen schaut mit Dankbarkeit und Freude auf die Heilsgeschichte, auf die
Ersterwählung des jüdischen Volkes, auf die Offenbarung, die Gott ihm schenkte und auf den Juden
Jesus von Nazareth, den Christus, den Heiland und Erlöser der Welt. Sie weiß um ihre geistlichen
Wurzeln und sieht mit Betrübnis auf die schwere historische Schuld gegenüber dem jüdischen Volk.
In Übereinstimmung mit dem Evangelium lehnt sie Hass, Entrechtung, Verfolgung und Rassismus ab
Mit der ganzen Kirche sieht die Pfarrei Liebfrauen dankbar auf den Weg, den die Kirche seit dem II.
Vatikanischen Konzil gegangen ist und begrüßt die Initiativen der letzten Papste, besonders des
heiligen Papstes Johannes Paul II. Mit ihm nennt sie die Juden die "älteren Geschwister", weil Gott sie
zuerst geliebt und zuerst zu Ihnen gesprochen hat. Sie folgt dem Weg der Reinigung, wie er in den
sieben Vergebungsbitten des Papstes vom 12. Marz 2000 und seinem Gebet um Verzeihung an der
Klagemauer vorn 26. Marz 2000 vorgezeichnet ist.
Im Youcat, dem Jugendkatechismus der Katholischen Kirche, Nr. 135, heißt es: Dass Jesus Christus
als Mensch ein Jude ist, verbindet uns. Dass die Kirche in ihm den Sohn des lebendigen Gottes
erkennt, trennt uns. Im Warten auf das endgültige Kommen des Messias sind wir eins.
Ecclesia und Synagoge, die beiden Figuren im Eingang der Liebfrauenkirche, sind ein Dokument ihrer
Zeit. Sie sind Erinnerung und Mahnung für unsere Zeit. Erinnerung ist das Geheimnis der
Versöhnung.